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Wenn sich Schwächen nicht ausbügeln lassen:
Umgehen, damit umgehen und die Löwentaktik

Wenn ich als Personalchef die Aufgabe hätte, die Position eines Steppenjägers zu besetzen und würde mir das Profil eines Löwen oder einer Löwin ansehen - ich würde ihn noch nicht einmal vorab zu einem Telefoninterview einladen.
Es sind die zwei Schwächen des Löwen, die ihn von vorneherein aus meiner Shortlist herauskatapultieren würden: Mit Spitzengeschwindigkeiten von 55km/h ist er deutlich langsamer als die meisten Steppentiere (Antilope: 90km/h, Zebra: 60km/h), und selbst die massige Giraffe ist genauso schnell wie er. Darüber hinaus hat König Löwe beklagenswert wenig Ausdauer. Bevor seine Beute auch nur erste Anzeichen von Erschöpfung zeigte, würde er schon keuchend stehen bleiben müssen. Bewerbung abgelehnt.

Wie erkenne ich meine Schwächen im Berufsumfeld?

Eine Schwäche ist etwas das fehlt... - es ist (noch) nicht in einem den Rollen-Anforderungen genügendem Maße vorhanden: Fachkompetenz oder auch Führungskompetenz, z.B. fehlende Entscheidungsfreude, mangelndes Strategiedenken, etc.


... oder eine Stärke, bei der Sie zu viel des Guten tun. Unter Stress kann sich z.B. Entscheidungsfreude in Dampfwalzen-Management verwandeln oder Strategiedenken sich nur noch im Elfenbein-Turm abspielen.


Die Karrierebibel schlägt vor, sich folgende Fragen zu stellen:

  • Welche Aufgaben/Arbeiten liegen Ihnen gar nicht, motivieren Sie auch nicht?
  • Welche Tätigkeiten vermeiden Sie generell, im Berufs- wie im Privatleben?
  • Bei welchen Themen fühlen Sie sich unwohl oder erleben sogar eine Abwehrreaktion (vom Bauchgefühl her)?
  • Womit können Sie nicht umgehen?

Was uns selbst angeht haben wir in der Regel einen blinden Fleck. Holen Sie sich unbedingt Feedback, z.B. von einer/m Kollegen/in Ihres Vertrauens.

Überwinden - Auf Stärken fokussieren - Neu orientieren - Was hilft dem Löwen?

Nehmen wir einmal an, die kalte Abfuhr habe auch König Löwe dazu gebracht, dass er an seinen Schwächen arbeiten und ein besserer Steppenjäger werden will.

Er beginnt, sich alles über das Sprinten und über Ausdauerlauf einzuverleiben, was er bekommen kann. Er trainiert wie ein Wahnsinniger, sprintet ständig durch die Gegend, bis er mittags erschöpft im Schatten einer Schirmakazie niedersinkt. Aber Sie ahnen es: Wenn die Zebras einmal kurz aufschauen und einen prüfenden Blick in Richtung des Löwen werfen, werden sie sogleich beruhigt weiter grasen: Über 56km/h oder vielleicht auch 58km/h Spitzengeschwindigkeit wird die Raubkatze einfach nicht hinauskommen.
Jeder hat Bereiche, wo die Einsicht dämmert: Auch wenn ich einen Entwicklungsplan mit Meilensteinen habe, jedes erdenkliche Angebot an Literatur oder Video-Training studiere, wenn ich mir Vorbilder suche, wenn ich mich bewusst in Situationen ausprobiere in denen ich an meiner Schwäche arbeiten kann, wenn ich Beratung und Coaching in Anspruch nehme: Nicht jede Schwäche lässt sich überwinden.
Und das nicht nur, weil es physische Grenzen gibt wie beim Löwen. Manchmal fordert es sehr viel zusätzliche Energie und Motivation an einem Thema zu arbeiten, das wir viel lieber meiden würden. Nicht jeder ist ein „geborener" Redner, Verkäufer oder Verhandlungsführer. Wenn es irgendwie geht, verzichten wir dann lieber darauf, etwas zu perfektionieren für das wir kein Talent haben - und suchen nach anderen Möglichkeiten.
Dann punkte ich eben mit meinen Stärken, denkt sich der Löwe. Er beginnt, an seinen Krallen abzuzählen: Furchterregendes Brüllen? Check. Majestätisches Aussehen? Check. Lautloses Anschleichen? Check. Kräftiger Prankenhieb? Check. Supergefährliche Reißzähne? Check.
Aber warum fällt meine Beute nicht vor Schreck tot um, wenn mein Löwengebrüll ertönt? Und warum kann ich mich nicht so nah heran schleichen, dass ich meine Stärken ausspielen kann und mich nur ein kräftiger Prankenhieb von meiner Mahlzeit trennt?
Führungskräfte können nur davon profitieren, wenn sie die eigenen Stärken kennen und gezielt einsetzen. Oft lassen sich dadurch auf anderen Gebieten Schwächen kompensieren. Wenn Sie etwa kein guter Redner sind, versuchen Sie es mit gewissenhafter Vorbereitung. Wenn es Ihnen schwerfällt, das Zentrum Ihres Teams und ein stetiger Quell des Ansporns zu sein, können Sie stattdessen in Einzelgesprächen und mit Zuhören schon viel erreichen.
Unser Löwe würde - wenn er zeigt, dass er einen starken Büffel jagen kann, der nicht schneller ist als er selbst - vielleicht zum Telefoninterview eingeladen werden. Ob er aber die Anstellung zum Steppenjäger bekäme, wäre weiterhin fraglich.
Nun, da der Löwe schon einiges an Selbsthilfebüchern verschlungen hat, versucht er etwas anderes: Seine Schwächen zu um-gehen. Er hat gelernt, dass man das Tätigkeitsfeld so umgestalten kann, dass einem die Schwäche nicht mehr im Wege ist. Der Löwe seufzt tief, schüttelt die mächtige Mähne und sattelt um. Er wird Vegetarier. Als ihm nach 4 Tagen Steppengras der Magen weit unterhalb der Kniekehlen hängt, verjagt er schweren Herzens - welche Demütigung - ein paar Geier, um einen Bissen Aas zu erhaschen, während er ernsthaft erwägt, seine nächste Bewerbung an einen Zoo mit Vollpension zu richten.
Im realen Arbeitsleben lassen sich mit der Umgehungstaktik oft gute Ergebnisse erzielen: Auf Stärken fokussieren, nach Aufgaben suchen, wo Sie Ihre gute Seite zeigen können und wo Sie selbst Antrieb und Begeisterung verspüren. Falls die fehlende Kompetenz jedoch zu den unabdingbaren Anforderungen an Ihre Rolle gehört, so ist unter Umständen die einzig richtige Konsequenz, das Arbeitsumfeld als Ganzes zu wechseln: Durch Umstieg in eine neue Rolle oder gar zu einem neuen Arbeitgeber.
Hier könnte die Geschichte vom Löwen zu Ende sein und wir würden wissend nicken: Ja, das ist es, warum es bald mehr Löwen in Zoos als in freier Wildbahn gibt - die haben sich alle dahin beworben.... - hätte der Löwe nicht eine andere Taktik, die ihm bei der Jagd zu Erfolg verhilft.

Die Löwentaktik - Erfolg im Rudel

Wer von Ihnen sich schon mit Löwen befasst hat, ahnt es längst: Das Erfolgsgeheimnis der Löwen ist die Jagd im Rudel. Es gibt zahllose Videos in denen Sie das mitverfolgen können. In dieser Dokumentation sieht man, wie sich Löwinnen die Arbeit teilen - anschleichen, Herde in Unruhe versetzen, Beutetier vereinzeln, dem Beutetier den Weg abschneiden. Wenn die Löwen eine Herde einkreisen und dann von verschiedenen Seiten zugleich angreifen, ist es gar nicht mehr nötig, schneller oder ausdauernder zu sein als Zebra, Büffel oder Antilope. (Dass man hier sehen kann, dass die weiblichen Tiere die Hauptarbeit tun, liegt daran, dass die Rudel normalerweise aus mehreren Weibchen, einigen Jungtieren und nur einem Männchen bestehen.)
Zugegebenermaßen kann eine Führungskraft ihre Schwächen nicht dadurch ausgleichen, dass sie sich eine Position mit einem Rudel von anderen teilt. Aber es gibt zwei Möglichkeiten, wie Ihnen Ihre Kollegen ganz konkret helfen können:

  • Sie können versuchen, Aufgaben mit anderen Führungskräften zu tauschen.
    Oft gibt es Teilprojekte oder klar abgetrennte Verantwortlichkeiten, die sich dafür eignen. Sprechen Sie mit Managerkollegen oder Ihrem Vorgesetzten: „Würde sich Thema X nicht viel schneller bewegen, wenn Kollege B. es übernähme? Stöhnt der nicht schon lange über Thema Y, das wiederum mir ganz gut von der Hand ginge?" Probieren Sie es aus! Sie werden überrascht sein, wo sich Türen öffnen.
  • Sie können sich von Mitarbeitern aus Ihrem Team zuarbeiten lassen.
    Haben Sie den Mut und wählen Sie bewusst auch Mitarbeiter aus, die anders sind als Sie und die in Bereichen glänzen, die Sie lieber meiden. Kompetenzen wie analytisches Denken, Schnittstellenmanagement, Prozessdefinition und -rollout, spezialisierte Fachkompetenz, Organisationstalent und Einfallsreichtum - um nur einige Beispiele zu nennen - muss man nicht alle in sich vereinen, sondern kann sie getrost als Teamleistung abrufen.

Es gehört Löwenmut und Selbstbewusstsein dazu, zu seinen Schwächen zu stehen und offen darüber zu reden, damit andere einspringen können. Aber wenn Sie es verstehen, die Stärken des Teams zu nutzen, wird das auch Ihnen eine stärkere Position verschaffen.

tl;dr
Sind Schwächen - sprich: Entwicklungsbedarf - identifiziert, hilft ein Entwicklungsplan beim Umgang damit. Manches lässt sich durch Lernen und Üben überwinden. Wo das nicht geht, kann man versuchen seinen Tätigkeitsbereich so zu verlagern, dass man seine Stärken ausspielen kann. Löwen - von Natur aus keine schnellen und ausdauernden Sprinter - sind nur im Rudel erfolgreich. Auch für Sie als Führungskraft kann es sich lohnen, „das Rudel" zu Hilfe zu holen: Indem Sie Aufgaben mit anderen Führungskollegen tauschen oder auf die Zuarbeit von qualifizierten Teammitgliedern setzen.

Welche Ihrer Entwicklungsfelder nehmen Sie als nächstes aufs Korn?